Alternative Fakten in einer gespaltenen Gesellschaft. Kommentar von Hoa Mi Nguyen

Alternative Fakten in einer gespaltenen Gesellschaft

Die journalistische Welt beschleunigt sich mit dem Aufstieg der Online-Zeit. Was zählt, ist Quantität und Schnelligkeit – wie gut die Inhalte tatsächlich recherchiert und überprüft wurden, ist zweitrangig. Die Medien überbieten sich, wer die aktuellsten Meldungen als erster bringt, wer mit den eklatantesten Schlagzeilen am meisten schockiert. Es bleibt kaum Raum dafür, die Ereignisse mit Abstand zu betrachten, sie mit Rücksicht auf ihren Kontext zu bewerten und erst dann einen gehalt- und sinnvollen Kommentar abzugeben. Stattdessen wird gleich zu Schlüssen gesprungen, Hauptsache alles geht schnell und gleich zu der nächsten Nachricht, damit man nichts Wichtiges verpasst. Was bei den Empfängern hängen bleibt sind nicht die Inhalte, sondern nur die Emotionen, die diese Nachricht erweckt hat.

Und genau das ist die ideale Grundlage für schleichende Manipulation. Denn man kann unwahre Informationen verbreiten, Menschen aufregen, und selbst wenn die Falschheit später entlarvt wird, ist der Schaden bereits angerichtet, oder das perfide Ziel erreicht. Ein hinausragendes Beispiel von Politikern, die gelernt haben diese Schnelllebigkeit für sich auszunutzen ist Donald Trump. Der frischgebackene US Präsident hat während seiner Kampagne wiederholt spektakuläre Aussagen gemacht, auf die sich die Medien dann stürzen. Er wirft um sich mit Zahlen und „Fakten“, die aber weit entfernt von der Wahrheit sind, wie zum Beispiel die Höhe des US-Handelsdefizits, das er während des zweiten Fernsehduells gegen Hillary Clinton sogar um viele Milliarden zu hoch angegeben hat. Findet sich dann jemand, der unwiderlegbare Beweise für die Falschheit liefert, scheint sich Trump auf einmal nicht mehr an seine Aussagen zu erinnern und lehnt kräftig ab, dass er sie gemacht hat. Das geht so weit (und das finden wir wirklich unverschämt), dass seine Beraterin Kellyanne Conway nachweislich unkorrekte Zahlen als „alternative Fakten“ bezeichnet, was natürlich ein Widerspruch in sich ist. Auch seine Unterstützer sind erstaunlicherweise von seinen bewiesenen Lügen nicht besonders erschüttert. Im Gegenteil, Trumps Anhänger selber produzieren oft falsche Meldungen und verbreiten sie dann im Netz um Stimmung zu machen und um gegen andere zu hetzen. Längst ist es erlaubt falsche Fakten zu liefern, Konsequenzen gibt es eh keine, dafür Beifall, je dreister man lügt.

Auf der anderen Seite ist das Misstrauen gegen traditionelle Medien und nicht-transparente Politik enorm gewachsen, und so wird Lügenpresse zum meistgenutzten Begriff im politischen Diskurs. Es herrscht paranoider Argwohn gegenüber den ausgebügelten Politikern: das Gefühl, dass hinter jeder Aussage nur das persönliche Interesse steckt, dass jedes Versprechen leer ist, und dass sich korrupten Politiker heimlich mit Lobbyisten und Medien verschwören, um das Volk zu täuschen. Der Instinkt stiftet die Menschen an, eher ihren Mitmenschen zu vertrauen, die genauso wie sie von den zugeknöpften Bürokraten da oben die Nase voll haben. Und durch das Internet haben sie nun die Möglichkeit sich durch viele unabhängige Quellen zu informieren. Auf einmal haben nicht nur prominente Medien, sondern jede einzelne Person eine Stimme, die von vielen anderen gehört werden kann. An sich eine gute Sache. Doch was passiert, wenn es einem einfach zu viel wird? Sich jeden Tag durch einen Informationsdschungel durchzuschlagen ist mühsam. Nachrichten objektiv zu bewerten kostet Zeit und Energie, und bei der Menge gibt sich kaum jemand die Mühe die Wahrhaftigkeit der nutzergenerierten Nachrichten zu überprüfen, zumal wir gar nicht mehr selber entscheiden, sondern ein Algorithmus, der uns vorgibt, was wir als nächstes sehen wollen. Es ist ja am einfachsten die Welt schwarz-weiß zu färben, die Mächtigen sind die Bösen und vor allem die simpelstrukturierten Köpfe mit den einfältigen Lösungen die Guten.

Wann haben wir die Fähigkeit verloren, Dinge kritisch zu beurteilen und differenziert zu denken?

Kürzlich wurde von der Union verlangt, dass Falschmeldungen auf sozialen Medien ab jetzt gekennzeichnet werden müssen. Besonders vor der kommenden Bundeswahl besteht das Risiko, dass gravierendere Fälle wie in Mühldorf passieren werden: eine Frau hat eine Vergewaltigungsgeschichte frei erfunden, auf Facebook gepostet und für sofortige Empörung im Netz gesorgt. Die Meldung hat sich als falsch herausgestellt, was dennoch haften bleibt ist die Vergewaltigung.

Und was ist mit den täglichen Falschmeldungen der Politiker, zum Beispiel einfach mal die circa 50 Millionen Flüchtlinge weltweit zu nehmen und zu behaupten, dass die alle nach Deutschland wollen. Was, mit ihren Versprechen, die sie nie einlösen werden. Wann werden Politiker endlich dafür zur Rechenschaft gezogen.

Auch in Deutschland haben sich längst alternative Fakten angesiedelt. AfD, gleich Alternative Fakten für Deutschland. Wir müssen dringend wieder anfangen selber zu denken und zwar nicht nur an uns, sondern an die ganze Weltgemeinschaft.

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